Sie nannten ihn Napoleon
„Hast du erst mal einen Namen, ist es ganz egal, wie du heißt“, sagt ein Sprichwort. Mein Kumpel Peppi und seine Frau standen kürzlich vor der Frage: Wie nennen wir unseren Sohn? Eventuell Kevin? Lieber nicht. Was weitgehend unbekannt ist: Das besonders in Neubaublöcken auftretende Kevin ist eine Huldigung an Kevin Russell, den Sänger der ehemaligen BOEHSEN ONKELZ. Vor Jahren, nach klatschnassen Konzerten, gingen die Simones mit den Maiks ins Bett und starteten das Projekt Kevin. Gehasst, verdammt, vergöttert, aber eben Kevin.
Später lernten Kevins Schantalls kennen – das wissen wir. Danach wurden sie die Besten und starben jung. Vornamen wecken Assoziationen. Aus einem kleinen Kurt könnte sich ein neuer großer Cobain entwickeln, aber nicht unbedingt. Mutti wäre schon zufrieden, wenn er etwas älter würde als siebenundzwanzig. Klein-Harry muss in Zukunft ständig die Wagen holen, und ein neugeborener Adolf sollte später eine möglichst führende Position in der Gesellschaft einnehmen. Wobei – soweit geht ja heute kaum noch ein Elternteil bei der Namensgebung. Klassische Vornamen wie Karl und Anna könnten den Nachwuchs vor der Spaßgesellschaft schützen. Im Gegensatz zu Yannik Fynn, Melody Emily und so.
Die Fünfziger-Hits Doris, Brigitte, Hannelore, Günther, Gisbert und Wilfried liegen indessen unter Verschluss oder sind ausgestorben. So heißt heute kein Kind mehr. Bei Doris denke ich immer an eine bestimmte Mitschülerin von früher. Sie war paar Mal sitzengeblieben, roch ständig nach ihrem Schweiß von vorletzter Woche und belegte bei den Jungs in der Begehrtheitstabelle einen Abstiegsplatz. Gewissenlos, wie wir damals noch sein durften, schnipsten wir manchmal brennende Streichhölzer an ihren Pullover oder stachen sie ab und zu mit dem Zirkel in den Arm, um die Reaktionsschnelligkeit der Doris zu schulen. Heutzutage ist das ja alles verboten und käme gleich in der Tagesschau. Korrekt so.
Niedlich klingt die nordische Namenspopulation: Sönke, Bengt, Dörte – für sie und ihresgleichen ist ein biologisch abbaubares und CO2-neutrales Dasein in Potsdam-West vorgesehen.
Bei einem Hakan schließlich assoziiert man allzu gern dessen Wunsch zum Geschlechtsverkehr mit der Mutter seines Gesprächsteilnehmers, wenn es bei Diskussionen miteinander zu inhaltlichen Kontroversen gekommen ist. Komischerweise erkundigen sich die Hakans in den seltensten Fällen vorab nach Alter, Bildungsgrad und optischen Gesamtzustand der angebeteten Person. Eine doch recht leichtsinnige Herangehensweise.
Mein Kumpel Peppi und seine Frau gingen unterdessen auf Nummer sicher: Sie nannten ihn Napoleon.
Mehr von diesem großartigen Autor auf: www.loti-kioske.de
![]() |
||
|
||
![]() |
14. Februar 2014 um 18:18 Uhr
Meine Favoriten sind immer noch Grobfried, Schlagbert und Meuchelhorst.
Rothaarig, etwas untersetzt und der Schrecken der Hofpause.
Schön geschrieben, Loti.
Kurzweilig und mit Schmunzelelementen.
So mag ich Deine Texte.
Mansei
Daniel